Braunkohlemine
Die Konzession von Saint-Menge
Die Konzessionen
Unter der Herrschaft von Karl X. Philipp wurde die Suche und Förderung von Steinkohle in den Tälern von Vraine und Visir wieder aufgenommen. Durch königliche Verordnungen wurden sechs Konzessionen vergeben. Nach umfangreicher Suche und nach mehreren Sondierungen wurde jedoch nur in vier Konzessionen mit der Steinkohleförderung begonnen. Diese waren:
La concession de Saint-Menge (Gemmelaincourt)
(1829 - 1948)La concession de Norroy (1829-1910)
La concession de la Vacherresse (1836-1890)
La concession de la Suriauville (Contrexéville) (1859-1948)
Von den vier Bergbaukonzessionen wurde nur diejenige von Saint-Menge kontinuierlich bis 1912 industriell betrieben.
Marc Antoine Puton
Die Société Mirecourt wurde am 2. Oktober 1826 gegründet. Unter den Aktionären befanden sich unter anderem Händler, Juristen, Bürgermeister, Steuereintreiber sowie ein Arzt, ein Schuldirektor, ein Lehrer und ein Künstler. Der Direktor der Gesellschaft war Oberst Baron Puton (Marc Antoine Puton, 1779-1856). Nach seiner Militärkarriere wandte sich Baron Puton um 1816 der Geometrie und Geologie zu und begann nach Kohle zu suchen.
Im Jahr 1827 begannen die Société Mirecourt und Baron Puton in Saint-Menge mit dem Abteufen der beiden Schächte «Marchal» und «Choiseul». Etwa zur gleichen Zeit wurden auch Arbeiten südlich der Vraine bei «Haye Lacroix» aufgenommen. Die Schächte dienten zunächst der Sondierung und später der Bewetterung (Belüftung). Die Arbeiten beim Ort «Le Cugnot» begannen 1830, welcher bis 1836 der Hauptstandort für den Abbau war. Anschliessend konzentrierte man sich bis etwa 1850 auf das Gebiet «Chanois». Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten übertrug die Société Mirecourt 1852 sämtliche ihrer Rechte an der Konzession an Baron Puton. Dieser gab den alten Standort «Chanois» auf und eröffnete weiter hinten in Gemmelaincourt neue Stollen, in denen man auf günstige Kohlenschichten stiess.
Emile Puton
Nach dem Tod von Baron Puton im Jahr 1856 setzte sein Sohn Emile Puton die Arbeiten fort und eröffnete einen 310 Meter langen West-Südwest-Stollen in der Nähe von Gemmelaincourt. Der Stollen wurde ausgemauert und war etwa 20 Jahre lang der Ausgangspunkt für den weiteren Abbau der Kohle. 1874 wurde auf dem Plateau weiter westlich der Schacht «Hapiat» abgeteuft, der die westliche Grenze des Bergbaus Saint-Menge markierte. 1875 wurde der Bergbau durch die Gründung einer Gesellschaft wiederbelebt. An der Gesellschaft war auch die Tochter des Barons Puton, die Witwe Malgras, beteiligt. Die Produktion stieg stetig an, bis das Unternehmen 1881 sich auflöste. Anschliessend übernahmen die Erben Putons das Geschäft.
Ab dem Jahr 1884 kümmerte sich der Pariser Ingenieur M. Gobat um die Mine, bis er zwangsenteignet und die Mine am 13. Mai 1886 um neun Uhr morgens in Mirecourt versteigert wurde. Erneut nahm sich Emile Puton der Mine an. Im Jahr 1889 zerstörte ein Feuer zwei seiner Lagerhallen in denen sich diverses Material für den Kohleabbau wie Loren, Sackkarren, Waagen und Bretter befanden. Emile Puton verkaufte die Mine im Jahr 1898 vollständig an Jules Bertrand, der seit 1889 Direktor der Kohlenmine war. Dieser schloss sich mit Raymond Staub, einem Kohlenhändler aus Nancy, zusammen und gründete die Gesellschaft «R. Staub, Betrand et Cie»
Das goldene Zeitalter (1903-1912)
Das Jahr 1903 markierte den Beginn der «Belle Époque» für die Kohlemine Saint-Menge, ein neunjähriges goldenes Zeitalter, das bis 1912 anhielt. Wie kam es zu dieser Blütezeit? Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg in den Vogesen, wo zahlreiche Mineralwasserquellen und Brauereien ansässig waren, die Nachfrage nach Glasflaschen rasch an. Ende 1901 beschloss eine Gruppe von Industriellen aus Nancy und den Vogesen, eine Glasfabrik in Gironcourt zu errichten. Der Standort wurde nicht zufällig gewählt, denn in umittelbarer Nähe befanden sich eine Sandgrube (Saint-Menge), ein Kohlebergwerk (Gemmelaincourt), die Eisenbahnlinie und die Strasse, die Mirecourt mit Neufchâteau verband. So wurde die Aktiengesellschaft «Établissements de Gemmelaincourt-Gironcourt» mit Sitz in Gemmelaincourt gegründet.
Die Aufgabe der Aktiengesellschaft bestand darin, den Betrieb des Braunkohlebergwerks von Saint-Menge und Gemmelaincourt sowie der Sandgrube aufrechtzuerhalten und eine Glasflaschenfabrik zu errichten. Dafür stand ein Kapital von 1.5 Millionen Francs zur Verfügung. Mit diesem Geld wurden die Mine und Grundstücke erworben sowie die Schmalspurbahn und die Glasfabrik gebaut. Rund 300'000 Francs verblieben für den Betriebsfonds. Wann und mit welchen finanziellen Mitteln die Arbeitersiedlung mit 24 Wohnungen, ein Bürohaus und das Kohlewaschhaus erstellt wurden, konnte nicht exakt ermittelt werden. Jedoch dürften diese Investitionen zu Beginn der Aktiengesellschaft getätigt worden sein.
Mehr Informationen haben wir über die Schmalspurbahn. Über Zeitungsanzeigen suchte man ab dem Spätsommer 1902 fähige Steinbrecher und Erdarbeiter, um die Schmalspurbahn von Gemmelaincourt nach Gironcourt zu bauen. Die Lokomotive nannte man später liebevoll «coucou». Ihre Aufgabe war es, Steinkohle in Gemmelaincourt abzuholen und bei der Durchfahrt bei Saint-Menge zusätzlich Sand für die Glasfabrik zu laden. Übrigens wurde die erste Glasflasche am 3. März 1903 in der Glasfabrik in Gironcourt geblasen.
Im Jahr 1911 erlebte der 19-jährige Pierre Jacquemin offenbar eine Phase der Langeweile, die zu einer unglücklichen Idee führte: Er legte einen Stein in die Weiche der Schmalspurbahn. Dadurch wurde «coucou» auf das Abstellgleis umgeleitet, wobei die Kupplung riss und die acht beladenen Waggons führerlos und Dank der Schwerkraft mit steigender Geschwindigkeit weiterfuhren, bis sie nach 500 Metern entgleisten. Der Übeltäter wurde schnell gefunden, da der Lokführer während seiner Leerfahrt nach Gemmelaincourt den jungen Mann bemerkte, der an der Weiche herumlungerte.
Dies war jedoch nicht das einzige Ereignis im Jahr 1911, das "coucou" in die Schlagzeilen brachte. Im August ereignete sich ein schwerer Unfall, bei dem zwei Pferde verletzt wurden, eines davon tödlich. Der Müller aus Mirecourt, Herr Minoux, war mit seinem Vierspanner unterwegs. Bei einer Steigung, etwa 600 Meter von Gemmelaincourt entfernt, erschreckte sich eines der Pferde so sehr über das plötzliche Auftauchen von "coucou", dass es direkt vor die Lokomotive sprang und sofort getötet wurde. Das zweite Pferd wurde mitgerissen und schwer verletzt, während die anderen beiden glücklicherweise unverletzt blieben.
Die Abbauarbeiten in der Mine Gemmelaincourt wurden von den Galerien «La Presle» und «La Deuille» in Richtung des «Happiat-Schachts» vorangetrieben. Im Jahr 1908 stiess man auf eine neue Kohleschicht, deren Kohle jedoch zu Staub zerfiel und unbrauchbar war. Im Mai 1912 wurde der Betrieb eingestellt. Mehr als 20'000 Tonnen Braunkohle wurden pro Jahr gefördert. Die Einstellung des Kohleabbaus war sowohl auf die Erschöpfung des Standortes als auch auf die schlechte Qualität der Braunkohle zurückzuführen.
Der Erste Weltkrieg
Aufgrund des Kohlemangels während des Ersten Weltkrieges (1914-1918) schlug Victor Sépulchre vor, den Bergbaubetrieb wieder aufzunehmen. Da der Zustand der Stollen der alten Kohlemine in Gemmelaincourt eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht zuliess, wurden 1916 im äussersten Süden des Dorfes Saint-Menge, am Ort «La Faubourg», die Arbeiten aufgenommen. Zu Beginn des Jahres 1919 arbeiteten 276 Menschen in Saint-Menge-Faubourg, darunter auch eine Anzahl Kriegsgefangene. Im Jahr 1921 verlangsamte sich die Produktion, und im September 1922 wurde die Mine aufgegeben, da der Sektor erschöpft war. Der Braunkohleabbau in Saint-Menge-Gemmelaincourt schien der Vergangenheit anzugehören.
Der Zweite Weltkrieg (1939-1945) sollte die Bedeutung des Brennstoffs Kohle erneut in den Vordergrund rücken. Am 21. März 1940 schrieb Jean Sépulchre, einer der Söhne von Victor Sépulchre, an den leitenden Bergbauingenieur: «Angesichts der wachsenden Schwierigkeit, sich mit französischem und importiertem Brennstoffen zu versorgen, fragen wir uns, ob es nicht von grossem Interesse wäre, an einem oder mehreren Orten vorübergehend kleine Betriebe für triassische Kohle wieder zu eröffnen, indem wir uns an dem orientieren, was hier in Saint-Menge während des Krieges 1914-1918 getan wurde.» Im Mai 1941 wurde in Saint-Menge im «Champ de la Cure» wieder gearbeitet, später auch von den alten Stollen in Gemmelaincourt aus. Während der Besatzung entkamen viele der in der Mine beschäftigten Arbeiter dem S.T.O (Service du Travail Obligatoir en Allemagne). Es waren schwierige Zeiten, jedoch war auch die Zeit nach der Besatzung nicht einfacher. Die Freiheit war zwar wiedererlangt, es fehlte jedoch an allem, auch an dringend benötigte Fahrradreifen, um zur Arbeit in die Mine Gemmelaincourt zu gelangen.
Der Zweite Weltkrieg
Das Ende der Mine Saint-Menge
Seit 1948 steht die Mine Saint-Menge still, nachdem 360'000 Tonnen Kohle gefördert wurden. Ein Trost bleibt: auch wenn seit langem in Gemmelaincourt keine Kohle mehr gefördert wird, werden in Gironcourt dennoch weiterhin erfolgreich und auf hohem Niveau Glasflaschen produziert, wie damals im goldenen Zeitalter der Mine Saint-Menge.
Konzession Saint-Menge
Der Abbau erfolgte nacheinander
in Le Cugnot (Saint-Menge) zwischen 1827 und 1836
in Le Chanois (Saint-Menge) zwischen 1836 und 1850
in Gemmelaincourt zwischen 1852 und 1912
in Faubourg (Saint-Menge) zwischen 1916 und 1922
in den beiden Gemeinden in den 1940er Jahren
Verortung der Konzession
Die Konzession von Saint-Menge umfasste vor ihrer Erweiterung im Jahr 1903 eine Fläche von 2'264 Hektar. Früher wurden die Grenzen einer Konzession anhand von Landmarken wie beispielsweise Kirchen, Mühlen, Strassenkreuzungen und Bauernhöfen festgelegt. Dies war auch bei der Konzession Saint-Menge der Fall. Ein Auszug aus der Beschreibung der Konzessionsgrenze: «…Punkt A, dem Schnittpunkt der Achse der Strasse von Epinal nach Neufchâteau mit einer geraden Linie, die von Punkt D, dem westlichsten Winkel des Bauernhofs von Happiat, zum östlichsten Winkel des Stalls der Gendarmerie in Houécourt gezogen wird (letztes Gebäude am östlichen Rand des Dorfes) …»
QUELLEN
"Annales de la Société d'Emulation du Département des Vosges", Epinal 1984
bassin-minier-regis.jimdofree.com
books.google.com
bul-animation-tourisme.fr
commons.wikimedia.org
fr.wikipedia.org
gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France
gironcourtsurvraine.fr
gironcourt.net
savoir.fer.free.fr
Kurztexte
15. März 1903, l’Abeille des Vosges
Eine Untersuchung wurde gegen die beiden Bergarbeiter Edmond Bichet und Camille Thiriet eingeleitet, weil sie in der Nacht mit Dynamit gefischt haben.
16. Januar 1908, l’Abeille des Vosges
Die Arbeiten in den Minen waren nicht ungefährlich. Davon zeugt ein Unfall, der sich am 16. Januar 1908 ereignete. Der 31-jährige Jean Ternoire befand sich in einem Stollen, als sich von der Decke ein Mergelblock löste und ihn an der rechten Seite traf. Er klagte über starke Schmerzen in den Lenden und im Bauch und starb drei Stunden später.
25. Mai 1911, l’Abeille des Vosges
Der Direktor vom «Établissement de Gemmelaincourt-Gironcourt», der wegen der Einleitung von trübem Wasser in den Vraine-Bach strafrechtlich verfolgt wurde, wird zu einer Geldstrafe von 20.- Francs verurteilt.
13. September 1891, l’Abeille des Vosges
Herr Charles Aubert, 61 Jahre alt, Hausangestellter bei Herrn Voilgue, Kutscher, hatte in Gemmelaincourt mit einem schweren Wagen, der mit drei Pferden bespannt war, Steinkohle geholt. Auf der Rückfahrt wollte er sich wegen seiner Müdigkeit auf die Winde setzen, während das Fahrzeug in Bewegung war. Er fiel vor das Rad, das ihm die Beine zerquetschte. Aubert wurde auf dem Wagen von Herrn Romain, einem Lebensmittelhändler aus Domjulien, nach Hause gebracht und starb vier Tage nach dem Unfall.
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